Forschungsgeschichte

Entdeckung

Bereits in den 1960er und 1970er Jahren war einigen Fliegern des Fliegerclubs Schönebeck e.V. eine große, kreisförmige Bewuchsanomalie im Bereich der Agrarflächen zwischen Pömmelte und Zackmünde aufgefallen. Die wissenschaftliche Entdeckung der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde (Salzlandkreis) ist – wie in vielen anderen Fällen – der systematischen Luftbildprospektion in Sachsen-Anhalt zu Beginn der 1900er Jahre zu verdanken. Es war Otto Braasch, der 1991 hierbei im Bereich der Agrarflächen zwischen Pömmelte und Zackmünde eine Kreisgrabenanlage mit vier Durchgängen und einer begleitenden Palisade erkannte. Weitere Befliegungen unternahm in den Folgejahren der Archäologe Ralf Schwarz. Bei der Auswertung der Luftbilder zeigte sich, dass die Morphologie dieser Anlage nicht den bereits vielfach bekannten mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen entsprach. Vielmehr schien der Grundriss Ähnlichkeiten mit den frühbronzezeitlichen Kreisgrabenanlagen im südöstlichen Mitteleuropa aufzuweisen. 

Geophysikalische Prospektion

Im März 2005 veranlasste das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Physikalische Geographie der Universität des Saarlandes geophysikalische Prospektionen im Bereich der Kreisgrabenanlage von Pömmelte durch. Diese Untersuchungen fanden im Rahmen der DFG-Forschergruppe FOR550 statt und wurden von der Firma Posselt & Zickgraf GbR durchgeführt.
Die geomagnetischen Messungen bestätigten nicht nur die in den Luftbildern sichtbaren Befunde der Anlage auf einer Fläche von 90 x 100 m, sondern zeigten im Westen eine weitere Ringstruktur etwa 10 m außerhalb des Kreisgrabens sowie Grubenbefunde oberhalb der westnordwestlichen Grabenunterbrechung. Auch aufgrund dieser Ergebnisse wurden die Flächen für die späteren Sondagegrabungen im Herbst ausgewählt.

 

Erste Sondage

Auf der Grundlage der geomagnetischen Prospektion wurde im Herbst 2005 eine 360 qm große Prospektionsfläche geöffnet. In diesem Bereich dokumentierten die Archäologen den Kreisgraben auf einer Länge von 30 m, das begleitende Palisadengräbchen sowie drei Schachtgruben, die in den Kreisgraben eingetieft waren.

Die ersten Funde ermöglichten nicht nur die zeitliche Einordnung in den Übergangshorizont zwischen Endneolithikum und Frühbronzezeit. Sie zeigten auch, dass die Anlage offenbar über einen längeren Zeitraum von verschiedenen archäologischen Kulturgruppen aufgesucht und genutzt worden war. Schon in dieser Phase der Ausgrabungen lieferten vor allem die Schachtgruben datierendes Fundmaterial, welches außerdem auf Kulthandlungen schließen ließ.

Erste Ausgrabungen

Die erste Grabungsfläche von fast 4000 qm wurde im südwestlichen Bereich der Anlage aufgezogen. Doch vor Beginn der Ausgrabungen 2006 wurde die Fundstelle zunächst noch einmal mit erhöhter Auflösung geomagnetisch untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die den Kreisgraben begleitende Palisade auch im Südwesten und Osten vorhanden war und segmentartig gegliedert zu sein schien (siehe Abbildung oben). Doch erst die archäologischen Grabungen machten die Komplexität des Bauwerks deutlich:

Neben dem Kreisgraben mit Schachtgruben und einer äußeren Palisade traten weitere Befunde hervor, darunter ein Segmentgraben, eine innere Palisade sowie mehrere Pfostenkränze bzw. Pfostenkranzsegmente, Grubencluster und Kenotaphe. Der Aufbau ebenso wie die Zeitstellung der Anlage zeigten besondere Parallelen zu den Henge-Monumenten der Britischen Inseln.

 

Details zu ausgewählten Befunden kannst du hier nachlesen.

Ausgrabung 2007

Die zweite Grabungskampagne im Sommer und Frühherbst 2007 erstreckte sich auf die südlichen und südöstlichen Bereiche der Kreisgrabenanlage. Sie erbrachten weitere zentrale Erkenntnisse zur Nutzung der Anlage. So zeigten sich in den Pfostenstandspuren der äußeren Palisade Funddeponierungen, die nach der Aufgabe der Anlage eingebracht worden sein mussten. Des Weiteren wurde deutlich, dass die Gräber und Kenotaphe offenbar direkt auf die Kreisgrabenanlage ausgerichtet waren. Neben Hockergräbern traten auch Teilbestattungen sowie mindestens ein Schädelgrab auf. Auch die schnurkeramische Totenhütte wurde in dieser Kampagne entdeckt. Weitere Befunde lieferten Hinweise auf frühbronzezeitliche Gebäudestrukturen im direkten Umfeld der Anlage.

Ausgrabung 2008

Im Verlauf der dritten Grabungskampagne wurden die archäologischen Ausgrabungen der Kreisgrabenanlage zum Abschluss gebracht. Die nördlichen und nordöstlichen Bereiche der Anlage wurden auf einer Fläche von ca. 4600 qm untersucht. Abermals wurden nun geophysikalische Untersuchungen durchgeführt, die auch das erweiterte Umfeld der Anlage berücksichtigten. Dabei wurde das Grabengeviert im Südosten entdeckt, das in der Folge ebenfalls archäologisch untersucht wurde. Wie die bereits im Vorjahr entdeckte Totenhütte stammte auch dieser Befund aus der Zeit der Schnurkeramik-Kultur.

Die Öffnung zusätzlicher Sondageschnitte südlich der Kreisgrabenanlage führte zur Entdeckung weiterer Pfostenstandspuren, die zu drei frühbronzezeitlichen Langhäusern gehörten. 

Während der Grabungen 2008 wurden die Befundsituationen von zwei Schachtgruben detaillierter ausgewertet. Die Skelette bzw. Teilskelette gehörten zu zwei Individuen, die in die Schachtgruben hineingeworfen zu sein schienen. Spuren von Fesselungen und massiver Gewalteinwirkung sind weitere Hinweise auf gewaltsame Tötungen sowie kultische Handlungen.

Rekonstruktion 2013 bis 2015

Die Kreisgrabenanlage von Pömmelte gehört zu den wenigen Anlagen aus der Übergangszeit zwischen Neolithikum und Bronzezeit, die vollständig und mit modernsten Grabungsmethoden untersucht und ausgewertet wurde. Aufgrund der besonderen Befundsituation entschieden der Salzlandkreis gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, die Anlage am Originalfundort zu rekonstruieren und Pömmelte als fünfte Station in die archäologische Tourismusroute der Himmelswege aufzunehmen.
Im Umfeld der Rekonstruktion wurde auch ein Parkplatz errichtet, das Gelände wurde vor den Arbeiten natürlich archäologisch untersucht. Schnell wurde klar, dass sich die frühbronzezeitliche Siedlung weiter Richtung Nordwesten ausdehnt: Sie stand nun im Mittelpunkt der Folgeprojekte.

Ausgrabungen 2018

Im Mai 2018 wurden die Ausgrabungen in Pömmelte erneut aufgenommen. Dieses Mal stand die frühbronzezeitliche Siedlung südlich und westlich des Rondells im Fokus. Die Grabungen in den 2000er Jahren brachten bereits Pfostenstandspuren mehrerer frühbronzezeitlicher Langhäuser zutage. Ein Ende der Siedlung war jedoch noch nicht erkennbar. Das Grabungsteam des Landesamtes und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wurde von Studenten der University of Southampton (England) unterstützt. Insgesamt wurde eine Fläche von 4000 qm freigelegt und über 300 Befunde dokumentiert, darunter nicht nur frühbronzezeitliche Langhäuser, sondern auch endneolithische, frühbronzezeitliche und mittelalterliche Gräber (8. bis 11. Jahrhundert).

Ausgrabung 2019

Im Mittelpunkt der Grabungskampagne 2019 standen weitere zu erwartende Hausbefunde der frühbronzezeitlichen Siedlung sowie bislang nicht untersuchte Bereiche östlich der Anlage. Erstmals konnten auch Hausgrundrisse der Glockenbecher-Kultur (2500-2050 v. Chr.) aufgedeckt werden, die mit der Gründungszeit der Kreisgrabenanlage in Verbindung stehen. Des Weiteren wurden im Osten des Rondells mehrere Gräber und Grabhügel der Schnurkeramik-Kultur entdeckt, die mit der bereits bekannten schnurkeramischen Totenhütte in Verbindung stehen. Die Aufdeckung mittelalterlicher Befunde wie z. B. Überreste eines Altweges mit Spurrinnen von Wagen sowie mehrerer Gräber machte deutlich, dass das Gelände auch in späteren Epochen von Bedeutung war. Bei den elf mittelalterlichen Gräbern des 8. bis 11. Jahrhunderts handelte es sich vor allem um Bestattungen von Frauen und Kindern. Möglicherweise stehen sie im Zusammenhang mit einer unweit südlich des Ringheiligtums gelegenen mittelalterlichen Wüstung.

Ausgrabungen 2020

2020 fanden Ausgrabungen bei der ca. 1,5 km entfernt liegenden Schönebecker Anlage statt. Eine besondere Entdeckung war eine Grabenstruktur, die der schnurkeramischen Totenhütte in Pömmelte auffallend ähnelte. Die Ausgrabungsflächen im Areal nördlich und östlich der Schönebecker Anlage umfassen 2700 qm und wurden von Juli bis September im Rahmen einer Lehrgrabung zur Ausbildung der halleschen Studierenden untersucht. Insgesamt wurden rund 470 Befunde dokumentiert, darunter zwei bronzezeitliche Grabhügel mit Nachbestattungen und über 80 Urnenbestattungen, die im Block geborgen wurden und derzeit im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt unter Laborbedingungen freigelegt werden.

Auf den Grabungsflächen in Pömmelte wurde in dieser Kampagne eine Grabanlage der Baalberger Kultur (4000 bis 3400 v. Chr.) entdeckt. Die Sakrallandschaft Pömmelte-Schönebeck ist damit wesentlich älter als bislang angenommen. Auch ein Brandschüttungsgrab der Schönfelder Kultur (2800-2200 v. Chr.) wurde dokumentiert. Neben verschiedenen Sakral- und Grabbauten erbrachten die Ausgrabungen in Pömmelte vor allem wesentliche neue Erkenntnisse zur mehrphasigen Siedlung, die sich südlich des Ringheiligtums erstreckte. Insgesamt sind nun 67 sichere Hausgrundrisse dokumentiert, deren Mehrzahl (58 Stück) der älteren frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur zuzurechnen sind. Pömmelte ist damit die bislang größte bekannte frühbronzezeitliche Siedlung in Europa.

Ausgrabung 2021

Im Fokus der Grabungskampagne stand erneut die Siedlung von Pömmelte und ihr Verhältnis zur Kreisgrabenanlage. Auf einer Fläche von 24.000 qm wurden Ausdehnung und Struktur der Siedlung näher untersucht. Dabei konnte zumindest gen Süden erstmals das Ende der Siedlung erfasst werden.

Neben einigen glockenbecherzeitlichen Häusern stammt die überwiegende Anzahl von Gebäuden aus der ersten Phase der Aunjetitzer Kultur (2200-2000 v. Chr.). Die Gebäude weisen einen genormten Grundriss mit Eingangsbereich im Süden und abgeschrägten Ecken an der geschlossenen westlichen Schmalseite auf. Nur ein Grundriss weicht von diesem Schema ab: Er zeigt zwei halbrunde Abschlüsse. Am wahrscheinlichsten ist eine Datierung in die Zeit ab 1550 v. Chr., und damit in jene Epoche unmittelbar nach der Niederlegung der Himmelsscheibe von Nebra.